Presseportal

Presseinformationen

  • Presseinformationen

"Bruch mit den guten Sitten"

Die wohnungswirtschaftlichen Verbände kritisieren die Verabschiedung der Hamburgischen Klimaschutz-Umsetzungspflichtverordnung. Die Umweltbehörde ging Gesprächen mit der Wohnungswirtschaft aus dem Weg.

171/2020_20201222

Hamburg. „Rücksichtslos, selbstherrlich und wenig vertrauenerweckend!“ Die Wohnungswirtschaft hat die Verabschiedung der Hamburgischen Klimaschutz-Umsetzungspflichtverordnung am Dienstag durch den Senat der Hansestadt als „Bruch mit den guten Sitten“ kritisiert. 

„Die Umweltbehörde hatte gut ein Jahr für die Erarbeitung der Verordnung und für Gespräche mit den Verbänden der Wohnungswirtschaft Zeit, ohne dass es zu ernsthaften Beratungen gekommen ist“, heißt es in einer Erklärung der wohnungswirtschaftlichen Verbände BFW Landesverband Nord, Grundeigentümer-Verband Hamburg, IVD Nord und Verband norddeutscher Wohnungsunternehmen (VNW). „Eine angeforderte schriftliche Stellungnahme reichten die Verbände der Wohnungswirtschaft fristgemäß ein. Bis heute gab es auch dazu keine inhaltlichen Gespräche.“

Die Botschaft der Umweltbehörde – und jetzt leider auch des Senats – laute: „In Sachen Klimaschutz im Bereich der Wohnungswirtschaft interessieren uns die Ideen und Vorschläge der betroffenen Unternehmen nicht. Wir wissen es besser und glauben, uns ohne Rücksicht auf andere Gruppierungen in der Gesellschaft durchsetzen zu können.“

Wer aber meine, die derzeit größte Herausforderung der Menschheit über den Kopf der Betroffenen hinweg bewältigen zu können, hat nichts verstanden“, erklären die Verbände weiter. „Der Schutz des Klimas geht alle an und ist nur umzusetzen, wenn alle aus Überzeugung mitmachen. Entscheidungen per ordre de mufti durchzudrücken, erinnert eher an das Gebaren früherer absolutistischer Herrscher.“

Erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Verordnung

Die wohnungswirtschaftlichen Verbände haben erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Verordnung. „Noch ist unklar, ob die Pläne der Umweltbehörde dem Gebäudeenergiegesetz des Bundes zuwiderlaufen. Problematisch ist zudem, dass die Wohnungsunternehmen durch die Verpflichtung zu einseitigen Maßnahmen auf lange Sicht dabei behindert werden, die sinnvollsten und effizientesten Klimaschutzmaßnahmen umzusetzen.

Wir erwarten Rechtssicherheit, an der wir für den Moment erhebliche Zweifel haben. Im Übrigen sind wir seit Jahren und auch in Zukunft Großinvestoren für noch mehr Klimaschutz in Hamburg. Für das Gelingen brauchen wir Technologieoffenheit und keine Einzelvorschriften für einzelne Sektoren oder Gebäudeteile, die gegenseitig widersprüchlich sind wie jetzt mit der neuen Verordnung.

Falsch ist vor allem die Vorgabe, nach der Wohnungsunternehmen und die privaten Eigentümer vom Jahr 2023 an auf Dächern von Neubauten und ab 2025 auch im Zuge der Dacherneuerung von Bestandsbauten grundsätzlich Photovoltaikanlagen installieren müssen - und zwar unabhängig davon, ob das im Quartier sinnvoll ist oder es andere, effizientere und kostengünstigere Klimaschutzmaßnahmen gibt. In Baden-Württemberg und Schleswig-Holstein wird auf eine derartige Pflicht bei Wohngebäuden verzichtet. Mit einer derartigen Einschränkung wird den Wohnungsunternehmen der Spielraum für Innovationen beim Klimaschutz genommen.

So eine Einschränkung hat der Bundesgesetzgeber bei seinem Gesetz ausdrücklich vermieden. Es ist ungewöhnlich, dass Hamburg die Bundesgesetzgebung ignoriert und glaubt, über Bundesrecht und Gesetz zu stehen. Auch Umweltschutz ist kein rechtsfreier Raum!“

Viele Wege führen zum Klimaschutz

Es führen viele Wege zum Klimaschutz. Wenn der Staat jetzt eine Technik per Verordnung vorschreibt, hemmt er andere, möglicherweise sinnvollere Lösungen. Wer glaubt, eine Technologie per Gesetz auf viele Jahrzehnte festschreiben zu können, hat nicht verstanden, wie der Entwicklungsprozess moderner Technologie funktioniert. Das erinnert an einen deutschen Kaiser, der - hoch zu Ross - erklärte, das Auto sei nur eine vorübergehende Erscheinung.

Es muss darum gehen, die sinnvollsten und effizientesten Klimaschutzmaßnahmen umzusetzen. Das mag in vielen Fällen die Photovoltaikanlage auf dem Dach sein. Aber in anderen Fällen wären eine Dachbegrünung, der Einbau moderner Heizungs- und Warmwasseraufbereitungsanlagen oder eine dezentrale und regenerative Erzeugung von Energie sowie Fernwärme für die Bewohner und das Klima sinnvoller.

Gefährdung des bezahlbaren Wohnens in Hamburg

Die jetzt vom Senat beschlossene Rechtsverordnung bedeutet für Hunderttausende Mieterinnen und Mieter höhere Wohnnebenkosten und sorgt bei Energieunternehmen für klingelnde Kassen. Den Wohnungsunternehmen hingegen droht de facto die Enteignung ihrer Dächer.

Es führt kein Weg an der unbequemen Wahrheit vorbei: Beim Ringen um den Klimaschutz darf die soziale Frage des Wohnens nicht ausgeblendet werden. Oftmals werden zusätzliche Kosten für den Klimaschutz nicht durch die Einsparungen bei den Strom- und Heizkosten ausgeglichen – nicht zuletzt auch, weil Energieunternehmen regelmäßig ihre Preise erhöhen und so Einsparungen zunichte machen.

Damit kein Zweifel aufkommt: Die Hamburger Wohnungsverbände stehen zu 100 Prozent hinter dem Ziel des Senats, die Stadt bis zum Jahr 2050 klimaneutral zu machen. Wir sagen aber auch: die Mehrheit der Hamburgerinnen und Hamburger wird das nur unterstützen, wenn wir ihnen die Sorge vor der Unbezahlbarkeit ihrer Wohnung nehmen. Das bezahlbare Wohnen ist für die meisten Menschen in dieser Stadt das Thema, das ihnen auf den Nägeln brennt.“

V.i.S.P.: Oliver Schirg, Verband Norddeutscher Wohnungsunternehmen (VNW), Referat Kommunikation, Telefon: +49 40 52011 226, Mobil: +49 151 6450 2897, Mail: schirg@vnw.de